London.
Nightjar, oder doch eine von den anderen Bars, wie immer die Frage.
Diesmal mit klarer Antwort: Dreimal Nightjar, oder so ähnlich.
Also erst mal in das
Original in der City Road. Keine Reservierung, weil keine Lust auf Musik, daher das übliche, recht kurze Warten vor der Tür. Dabei dem unglaublich geduldigem Türsteher etwa 15mal Neuankömmlinge mit denselben, dennoch freundlichen Worten auf eine Wartezeit unbekannter Dauer einstimmen zugehört.
Dann Einlass in das geheiligte Untergeschoss, zwei junge Damen und ein junger Herr hinter dem geschäftigem Tresen.
Ach ja, da war was: Marian Beke hat das Nightjar zu neuen Ufern, nämlich seinen eigenen, verlassen, und Luca Cinalli ist Barchef der neu aufgemachten Zweitlocation geworden.
Also flugs getestet, was das neue Team so kann: Einen Ward 8 (Bulleit Rye, Pickling Spices, Blood Orange Marmalade, Grenadine, Fresh Lemon and Cornichon Juice), und einen Breakfast of Champions (Courvoisier VSOP Exclusif, Roasted Barley Tea Infusion, Grappa Ruta, Amazaki Rice Paste, Iranian Date Syrup, Fresh Lemon, Yoghurt Crusta, Cornflake Smoke), 10 und 12 Pfund.
Da wie immer gut besucht leicht erhöhte Wartezeit auf die Drinks, was uns dank lustiger Leute an den Nachbartischen nicht allzu viel ausmachte, im Bück-Dich-Raum nebenan (ein Séparée mit etwas niedrigerer Deckenhöhe) aber zu Unmutsäußerungen führte.
Die Drinks makellos und mit fantastischen Aromen. Vielleicht ein bißchen zu viel Aromen, aber dazu später, bei den anderen Bars, mehr.
Fazit: Sehr empfehlenswert.
Immer noch, trotz neuem Team. Dennoch war es für mich nicht mehr ganz das Erlebnis von früher, leichte Defizite im Service, Drinks geschmacklich einen Tick überladen. Aber das ist wirklich in den Krümeln suchen, ich kann jedem London-Besucher das Nightjar nur wärmstens empfehlen.
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Nun aber in „Nightjar Nummer 2“, die neue Bar von Marian Beke, das
Gibson
Coole kleine Bar, tatsächlich mal oberirdisch und nicht im Keller, die noch vor kurzem eine italienische Osteria war. Nur etwa 10 Gehminuten vom Nightjar entfernt.
Marian hinter der Theke, mit deutlich sichtbaren dunklen Augenringen. Selbständig sein ist nicht immer ein Zuckerschlecken.
Zu trinken gab's einen
Electric Earl
(Tanqueray No.10, Earl Grey liqueur, Electric bitters, Fresh
grapefruit, Lime, Tonic & citrus grass cordial (purple shiso,
eucalyptus, kukicha), Electrifying flower bud), 13Pfund
und
Pickled Banana Daiquiri
(Bacardi 8 años, Azuki bean liqueur, Banana chutney, Milk
oolong palm sugar, Young coconut water, Curry leaf, Fresh
lime, Gold coconut ice) , 12Pfund
Der Electric Earl kommt in einem verdammt abgefahrenen Glas daher, das aussehen soll wie eine schlichte Lampe mit einer Glühbirne, und die elektrifizierende Blütenknospe ist der Lichtschalter.
Auf Nachfrage stellt sich diese als Sechuan Button heraus, was ich daher für eine Szechuanpfefferknospe hielt, ist aber wie ich jetzt weiß eine Acmella oleracea (für Cold Buttered Steve).
Die wir unbedingt, um die Zunge zu elektrifizieren, probieren sollten.
Hmm. Ich war misstrauisch und hab nur mal kurz dran geschnüffelt, meine Begleitung hingegen biss herzhaft darauf.
Was eine Paralyse der Zunge verursachte und für die nächste Viertelstunde keine weitere Flüssigkeitsaufnahme zuließ.
Hübsch aussehende Deko, im Ergebnis aber nicht zielführend...
Cocktail allerdings super.
Der Banana Daiquiri wird mit Bananenpulver (oder so), auf getrockneten Bananenschalen serviert, beides ohne Lähmungserscheinungen essbar. Und der Drink sogar noch besser als der Earl.
Stimmungsvolle Location im dreißiger Jahre-Stil, aufmerksame junge Dame aus der Slowakei als Mädchen für alles. Zwei-Mann/Frau-Betrieb, zumindest an dem Abend, er mixt, sie spült, bedient, räumt ab und bereitet vor.
Fazit: Sehr empfehlenswert. Leichte Abzüge in der B-Note für den Sechuan Button.
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Fehlt noch „Nightjar Nummer 3“, das neueste Projekt von Edmund und Rosie Weil, mit Luca Cinalli als Barmanager.
Das
Oriole.
Adresse: East Poultry Lane.
What? Tatsächlich, es gibt sogar noch eine westliche Geflügelstrasse.
Nämlich mitten im Smithfield Market, und wo früher in einer alten, unterirdischen, riesigen Kaschemme morgens um fünf die Marktarbeiter ihr Full English mit einem Stout heruntergespült haben, befindet sich heute eine im dezent asiatischem/polynesischem Stil eingerichtete Bar. Ungefähr dreimal größer als das Nightjar, mit einem Haufen Ozeanien-Kunsthandswerks-Dekoration, und einem eindrucksvollen Barstock mit allerlei selbst angesetzten Tinkturen.
Die Getränke:
Cortez the Killer
(Don Julio Reposado; Balsamic vermouth; Agave tonka syrup.)
Seoul Sour
(Johnnie Walker Gold Reserve; Amaro Lucano; Korean BBQ Zinfandel; Lemon; Saponaria.)
Saponaria? Tatsächlich, auf der Marmelade befanden sich Seifenkrautblütenstände (oder irgendein anderer Teil der Pflanze, kenn mich da nicht so aus). Und roch auch so.
Marmelade? Ja, auf dem Cocktail befand sich eine aus dem Rotwein und anderen Zutaten hergestellte Marmelade, bzw. Jam, durch die man den Drink mit dem Strohhalm trinken sollte.
Ich sage sollte, weil meine Frau tapfer die Marmelade inklusive Seifenblüten aufgegessen hat (sparsam halt, wird nix fortgeschmissen), was zu einem erstaunten Kommentar der Bedienung geführt hat („DAS hat noch niemand gegessen!“). War übrigens ein sehr nettes Berliner Mädel, die seit zwei Jahren in London lebt und über Empfehlung durch andere Jobs in der Gastronomie im Oriole gelandet ist. Muss, um auf dem laufenden zu bleiben, immer die neuesten Cocktails probieren und die ganze Karte kennen, um sie erklären zu können. Armes Ding...
Trotz des ganzen Brimboriums aber verdammt lecker, der Seoul Sour.
Mein Cortez war nicht ganz so überladen, worüber ich recht dankbar war, mit einer pfiffigen Essignote - was ich eigentlich nur im Salat mag, nicht jedoch im Cocktail -, war aber genau richtig getroffen.
Der Trend mit der üppigen Deko zog sich übrigens durch die gesamte Karte, vom Nachbartisch (die aussahen wie die Gang von Harry und William, frisch aus dem Kensington Palace geschlüpft) kam ein erstauntes „there's food in my drink!“, nachdem serviert wurde.
2x14 Pfund
2x5 Pfund Late Night Cover (für die Livemusik)
12,5% Service Charge 4,75Pfund
gesamt 42,75
Und noch ein kleiner Junggesellinnenabschied kostenlos.
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Fazit: Sehr empfehlenswert.
Ohne Krittelei.
Insgesamt wieder einmal eine fantastische Londoner Bartour, müsste ich wählen welches der drei „Nightjars“ das Beste ist, würde ich mich für das Oriole entscheiden. Hier hat der Gesamteindruck einfach rundum überzeugt.
Kleines Schlusswort: Wenn ich auch den Drang und den Zwang der Londoner Barszene sich selbst und andere zu übertrumpfen nachvollziehen kann, würde ich mir doch für die Zukunft etwas weniger Spielerei und „food in my drink“ wünschen. Nicht, dass ich gar keine Experimente mehr sehen möchte, aber momentan ist der Trend dezent overdone.