Falls du noch Ratschläge brauchst, hier nochmal meine Meinung:
Ich würde dir, wie meine Vorredner, empfehlen dich auf Basisspirituosen zu spezialisieren. Speziell vor Wermut und sonstigen Weingeschichten würde ich dir zunächst abraten, da die relativ schnell schlecht werden und vor allem nicht unbedingt von jedem Einsteiger gemocht werden. Die sind zwar nicht zwangsläufig besonders teuer, aber bei deinem begrenzten Budget würde ich vorher ganz genau gucken und (in einer Bar) probieren, ob dir das wirklich zusagt. Wenn du besonders erpicht darauf bist, klassiche Rezepte zu machen, dann ist natürlich Wermut zwangsläufig Pflicht, aber wie gesagt: Erst Probieren!
Eine gute Bar besteht für mich prinzipiell vor allem aus guten Basisspirituosen. Liköre und Sirupe sind danach je nach Bedarf zu ergänzen. Jetzt Apricot Brandy zu kaufen halte ich bei deinem knappen Budget für falsch investiertes Geld. Allein mit guten Basispirituosen kannst du auch ohne viele Liköre einen Haufen Cocktails machen, speziell Sours (Margaritas etc.). Du hast ja zudem schon den Cointreau mit dem man zunächst auch einiges anstellen kann.
Gute Basisspirituosen können teuer sein, jedoch gibt es immer einige günstige Vertreter, die es sich auf jeden Fall zu kaufen lohnt. Hier sollte man auf keinen Fall sparen. Wenn du im Internet bestellst, was du auf jeden Fall solltest, gibt es eine große Auswahl an Schnäppchen in diesem Bereich.
Dementsprechend steht für mich auf deiner Agenda: GUTER BOURBON! Aus Bourbon kann man extrem viele super leckere und auch klassische Drinks zaubern, die auch jeden Einsteiger sofort überzeugen.
Ich würde dir hier nicht zum Four Roses raten, da dieser mit seinen 40% recht schlapp ist. Ansonsten ist er pur genossen je nach stilistischen Vorlieben ein ziemlich solider Bourbon, jedoch lohnt es sich hier ein paar Euro mehr zu investieren. Bourbon mit 40% ist eigentlich ein Verbrechen
. Ich würde dir entweder Bulleit Bourbon (45%), Maker's Mark oder Elijah Craig 12 empfehlen. Der Elijah ist hier wohl der stärkste Vertreter seiner Zunft und macht einen exzellenten Whiskey-Sour. Wenn du es ein wenig mehr "mellow and smooth" magst, kann ich dir auch den Maker's ans Herz legen, den du aber entsprechend günstig bekommen solltest (spätestens ab 23€ lohnt sich der Griff zum EC12). Der Bulleit Bourbon ist stilistisch ein wenig anders als der Maker's, ist aber ein wirklich guter Bourbon und einen Tick billiger. Momentan ist er bei Weinquelle für 18€ im Angebot und schlägt mit diesem P/L-Verhältnis so ziemlich jeden Bourbon.
Zum Thema Rye und Bourbon: Bourbon ist sehr vielseitig einsetzbar, kann jedoch imho nicht als Rye-Substitution dienen. In manchen Rezepten jedoch ist der Ersatz durch einen Rye-betonten Bourbon, d.h. einem Bourbon bei dem ein großer Prozentsatz Roggen in der Getreidemischung verwendet wird (Wild Turkey), möglich. Das Rezept schmeckt dann natürlich nicht genau so, jedoch vielleicht genau so gut. Kaufe dir also zunächst einen guten Bourbon und falls du es dann etwas würziger magst, kauf dir einen guten Rye-Whiskey. Hier verweise ich, wie meine Vorredner, auf den Bulleit-Rye, der in meinen Augen einen sehr soliden Sazerac macht. Bei der Größe deines Barstocks würde ich dir jedoch zunächst nicht raten, einen Rye zuzulegen, vor allem da du noch nicht einmal einen Bourbon hast. Wenn dir dein erster Bourbon gefällt, greif zum Rye.
Wenn du Tequila magst und das musst du mit GUTEM TEQUILA für dich selbst rausfinden (Bar besuchen), dann würde ich dir Calle 23 oder El Jimador empfehlen. Der Calle ist hier die bessere Wahl, jedoch auch deutlich teurer (etwa gleicher Preis, jedoch 0,5l Flasche). Jose Cuervo in den niedrigen Preisstufen ist leider KEIN guter Tequila. Um schon angetrunkene Freunde oder nüchterne Feinde zu "verpflegen" kann man den aber in einem gut abgestimmten Tommy's Margarita verwerten. Prinzipiell kommst du beim Mixen von Tequila an 100% Agave nicht vorbei. Hier kann es recht schnell teuer werden, aber mit den oben genannten Marken kannst du schon sehr solide mixen und es wird sich wohl kaum einer über einen Calle 23-Margarita beschweren. Bei whiskyfun, dem Blog einer der wohl größten Spirituosenkoryphäen, erzielten die Calle 23-Produkte für Tequila-Verhältnisse sehr gute Bewertungen.
Tequila und Bourbon sind erstmal für mich zwangsläufige Anschaffungen und sollten in meinen Augen in keiner guten Bar in guter Qualität fehlen. Wenn du andere Vorlieben hast, kannst du meine Ratschläge natürlich in den Wind schlagen. Es gibt nichts schlimmeres als "Flaschenleichen" im Regal, die man sich angeschafft hat nur "um sie im Schrank zu haben". Finde selbst heraus, was du magst und lass dich hier in keiner Weise beeinflussen. Die konkreten Kaufvorschläge der lieben Forenmitglieder sind jedoch super hilfreich und können dir einige Fehlkäufe ersparen. Da unsere Leberkapazität aus gesundheitlichen Gründen begrenzt ist, rate ich, wie gesagt, nur dazu guten Stoff zu kaufen, auch wenn man dann nur die Hälfte an Flaschen kaufen kann. Nur aus guten Zutaten kann man gute Drinks zaubern.
Wo du mit wenig Geld noch einiges erreichen kannst, ist beim Rum. Ich würde hier an deiner Stelle den Cachaca bei Seite lassen, es sei denn du bist da irgendwie positiv besonders voreingenommen. Die HC, die du hast, sind zwar recht solide, haben jedoch eine relativ eigenwillige Note (kubanischer Rum eben) und sind dementsprechend nicht repräsentativ für weissen Rum (im Grunde ist kein Rum repräsentativ für Rum aufgrund der extrem hohen Diversität). Ich würde dir bezüglich weißen Rums noch den Plantation Three Stars empfehlen, den du teilweise für 15€ erwerben kannst. Bei diesem Preis steckt der so ziemlich jeden Havana Club und auch noch gut und gerne alle weißen Rums bis 25 oder 30€ in die Tasche. Mit dem weißen Rum kannst du einige feine Daiquiri-Variationen mixen, die nicht zwangsläufig Klassiker sind, jedoch von keinem Mix-Interessierten links liegen gelassen werden sollten (ich verweise hier beispielsweise auf den Szechuan-Daiquiri).
Braunen Rum würde ich an deiner Stelle erstmal nicht an den vorderen Stellen der Agenda plazieren. Die von mir benutzten und empfohlenen Marken sind hier tendenziell teurer. Smith & Cross (25€), Appleton 12 (25€), El Dorado 12 (30€). Hier kannst du natürlich zu den jüngeren Vertretern greifen, falls du unbedingt einen braunen Rum für ein Rezept brauchst, jedoch machen in meinen Augen erst die etwas älteren und vor allem die Rums mit mehr Punch (50-75%) Spaß, die dann meist jenseits der 25€-Marke liegen. Ein Schnäppchen wäre, falls du ein Experiment bei deinem Budget wagen willst, der Wray & Nephew Overproof Rum, der für unter 20€ zu haben sein sollte. Dieser Rum bringt dich aber rezeptetechnisch nicht zwangsläufig viel weiter und hat eine recht eigene Note, die nicht jedermanns Sache ist, weshalb ich dir das nur empfehlen würde, wenn du mal etwas "wagen" willst. Es ist auf jeden Fall eine Spirituose von ausgezeichneter Qualität und tollem Charakter.
Da du beim Gin schon recht solide aufgestellt bist, frage ich mich, wie gut dir diese Spirituosengattung gefällt. Wenn du ein großer Gin-Fan bist, kommst du um bestimmte Liköre nämlich nicht herum. Hier ist zunächst der Luxardo Maraschino zu nennen. Inwiefern dein bereits vorhandener Maraschino-Likör einen Ersatz darstellen kann, kann ich nicht beurteilen, jedoch sollte im Endeffekt irgendwann das Originalprodukt bei dir im Haus stehen. Genau dieses Produkt ist die Benchmark und wird in allen klassischen Rezepten verwendet. Nun kannst du mit dem Likör und Gin einige nette Drinks zubereiten, die jedoch teilweise zusätzliche Liköre erfordern (Last Word: Chartreuse, Aviation: Veilchenlikör). Inwiefern du in diesem Bereich investierst, hängt ganz allein von deinen Vorlieben ab. Eine Flasche Chartreuse beispielsweise ist nicht sonderlich billig (25€), für jeden Gin-Fan jedoch allein schon wegen des Last Word-Cocktails ein absolutes Muss. Probiere hier in einer Bar, falls möglich, ob dir diese Richtung gefällt und inwiefern du gewillt bist in diese Schiene zu investieren.
Zu den Sirupen: Speziell wenn du auf Klassiker stehst, muss hier nicht viel getan werden. Ich persönlich bin auch kein großer Fan der unendlichen Auswahl an Sirupen und verzichte in diesem Bereich gerne, was mir mein Barschrank und Kühlschrank danken. Kauf dir hier eine Flasche Zuckersirup (oder mach es selbst, kaufen ist natürlich einfacher und hält länger (Giffard 1l für 5€)). Ergänzend brauchst du wohl noch eine Flasche Grenadine. Greife hier nach Forum-Konsens auf D'arbo zurück, was es bei jedem größeren Edeka sowie in der Karstadt-Feinkostabteilung für etwa 6€ zu erstehen gibt. Ergänzend empfehle ich dir hier in Hinblick auf Tommys Margarita noch Agavendicksaft, den du in jedem größeren Supermarkt oder Bioladen bekommst. Wenn du mal ein wenig Abwechslung beim Whiskey Sour willst, kauf dir noch ein Fläschchen Ahornsirup, ist schließlich auch auf nem Pfannkuchen beim Frühstück am nächsten Morgen ganz nett
. Mehr brauche ich persönlich fast nie. Wenn du in die Tiki-Schiene abdrifest, ist natürlich mittelfristig ein gutes Orgeat (Meneau) Pflicht, aber das hat noch Zeit
.
Zu den Bitters: Hier bist du mit dem Set ganz solide aufgestellt. Kauf dir bei Bedarf noch das originale Angostura und damit bist du auch schon für den Anfang bedient.
Also meine Tipps zusammengefasst: Basisprituosen von guter Qualität anschaffen, dafür auf sonstigen Schnick-Schnack, Liköre, Sirupe, Wermut verzichten. Im Zweifelsfall weniger und dafür bessere Qualität anschaffen (achte auf hohe Volumenprozentzahlen, oft ein Zeichen von höherer Qualität/Mixbarkeit). Probiere zunächst Sours und sonstige einfache Cocktails, um die Spirituosen zu testen und dir eine Meinung zu bilden. Bei den Favoriten lohnt es sich dann in die Breite zu investieren. Liköre würde ich dann erst anschaffen, wenn du wirklich gute Rezepte dafür rausgefunden hast und das Basisfeld deiner Favoritenspirituose abgegrast ist, siehe meine Ratschläge zu Gin. Liköre haben das größte Potenzial als Flaschenleichen im Regal rumzustehen, hier also im Zweifelsfall zunächst nicht investieren.
Kauf dir im Übrigen noch vernünftige, aber einfache Gläser (brauchst keine Coupettes, Martini-Gläser reichen erstmal, anständige (Double-)Old-Fashioned-Gläser, Chicago Highball/Collins), eine Eiswürfelform für große und mittlere Eiswürfel (4cm, 3cm) und nen anständigen Shaker, falls du das alles nicht schon längst hast. Gute Zutaten bringen auch nichts, wenn die Zubereitung nicht stimmt. Ich sag das nur, weil ich viele Leute kenne, die zwar guten Stoff haben, aber dann in der Zubereitung aufgrund von Platzmangel im Gefrierfach und Faulheit nur wenig Eis verwenden und in warme, ungeeignete Gläser einschenken. Hier kann man mit ein wenig Engagement und wenig Investition schon jeden Saftladen, der sich Bar nennt, in den meisten Innenstädten qualitativ weit übertreffen. Eine anständige Zitruspresse (WMF bei Amazon für 28€) ist ebenfalls mittelfristig Pflicht.